Ein ehrenwertes Haus

In diesem Mietshaus wohnen wir seit einem Jahr und sind hier wohlbekannt.
Doch stell dir vor, was ich soeben unter uns’rer Haustür fand:
Es ist ein Brief von unsern Nachbarn, darin steht, wir müssen raus!
Sie meinen du und ich wir passen nicht, in dieses ehrenwerte Haus.

Weil wir als Paar zusammen leben und noch immer ohne Trauschein sind,
hat man sich gestern hier getroffen und dann hat man abgestimmt.
Und die Gemeinschaft aller Mieter schreibt uns nun: „Zieh’n Sie hier aus.
Denn eine wilde Ehe, das passt nicht in dieses ehrenwerte Haus.

Es haben alle unterschrieben; schau‘ dir mal die lange Liste an:
Die Frau von nebenan, die ihre Lügen nicht für sich behalten kann,
Und die vom Erdgeschoß tagtäglich spioniert sie jeden aus,
Auch dieser Kerl, der seine Tochter schlägt, spricht für dieses ehrenwerte Haus.

Und dann die Dicke, die den Hund verwöhnt, jedoch ihr eigenes Kind vergißt.
Der Alte, der uns stets erklärt, was hier im Haus verboten ist.
Und der vom ersten Stock, er schaut die ganze Zeit zum Fenster raus.
Und er zeigt jeden an, der mal falsch parkt vor diesem ehrenwerten Haus.

Der graue Don Juan der starrt dich jedesmal im Aufzug schamlos an.
Die Witwe, die verhindert hat, dass hier ein Schwarzer einzieh’n kann.
Auch die von oben, wenn der Gasmann kommt, zieht sie den Schlafrock aus.
Sie alle schämen sich für uns, denn dies ist ja ein ehrenwertes Haus.

Wenn Du mich fragst, diese Heuchelei halt ich nicht länger aus.
Wir packen uns’re sieben Sachen und ziehn fort aus diesem ehrenwerten Haus.